Donnerstag, 13. Dezember 2012

Zerstreuung


Englischsprachiger Rap war schon immer so ne Sache mit der ich mich nie so ganz habe anfreunden können.
Doch natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Dem aufmerksamen Leser dürfte schon aufgefallen sein, dass ich dem unglaublichen Duo Macklemore & Ryan Lewis nicht ganz abgeneigt bin. Und wer wäre ich denn, wenn ich nicht auch Eminem durchaus hochschätzen würde. Es gibt einfach so Koryphäen, die man nur ganz schwer kritisieren kann und meistens sowieso nicht will.




Distraction Pieces von Scroobius Pip lässt sich ebenfalls in diese Reihe einordnen, auch wenn der Brite einen absolut und komplett anderen Stil aufweist als jeder seiner amerikanischen Kollegen. Der Sound klingt viel rauer und wilder. Oft wirkt es etwas unausgegoren, wie als One-Take aufgenommen und doch bewegt Pip sich ungemein stilsicher auf oftmals treibenden, aggressiven Gitarrenbeats. Und allein schon Introdiction, was zugleich auch einer meiner Favoriten, der mit 9 Tracks recht kurzen Scheibe, ist, macht einfach Spaß und bietet Nahrung für's Gehirn. Es soll sich ja nicht magersüchtig fühlen.
Such little food for thought my fucking brain feels anorexic;
 So many typos when I write, oh, I'll claim I'm dyslexic.

Und auch sozialkritische Texte lässt er nicht vermissen. Sozialkritik kann er sowieso ganz gut, wie sein älterer Track Letter from God (Link) beweist.
Doch auch Let 'Em Come ist einfach super. Hier zeigt sich diese rohe, aggressive Beatwahl als absolut passend. Und ein wahrer Künstler fühlt sich einfach von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Das gehört dazu. Er hält ihr einen Spiegel vor. Sei es der Schriftsteller oder der Musiker. Und Pip lebt dieses unverstanden sein. Er will nicht unbedingt schön klingen, das Ästhetische ist kein Zwang, es kann zielführend sein. Genauso sind diese unmelodischen und sehr ungewöhnlichen Beats ein Weg, um auszudrücken. Und es passt. Britischer Akzent klingt nunmal anders und warum etwas zusammen führen, was nicht passt, wenn es so auch gut klingt?
Walking these streets with that distant stare
No one likes us but we don't care
Maybe our kind don't fit round here
Our minds find conflict round here

Wer verstehen will, was ich mit unmelodisch und verstörenden Beats und Soundbildern meine, der höre sich Soldier Boy (Kill 'Em) (Link) an. Nach 10 Sekunden dürfte nahezu jeder erkannt haben, was ich meine.
Doch Pip kann auch anders. Für das Outro des Albums lohnt es sich, den Bass aufzudrehen - James Blake lässt grüßen - einen ordentlichen Subwoofer vorausgesetzt. So ein tiefer, wummender Klangteppich wird von Briten im Allgemeinen scheinbar äußerst gern für ruhigere, balladenartige Stücke eingesetzt. Dadurch wird - im Kontrast zum quäkenden Gesang einer Natasha Fox eine unheimliche Atmosphäre erzeugt, die gleichzeitig verstört und einlullt. Ein Klangteppich, der zwei Extreme vereint, um die Basis für etwas zu bieten, dass auch zwei Extreme vereint. Eine ungemeine Tabuisierung in der Gesellschaft, die zwar mehr und mehr aufgebrochen wird, doch gleichzeitig eine Alltäglichkeit im Sprachgebrauch, sodass es wie selbstverständlich scheint. Doch dieses Perle zum Ende lässt sich Zeit. Es klingt anders, es ist anders. Einfach nichts Alltägliches.
God but you're beautiful,
and you feel my warm heart,
working around,
Don't pull away.
My passion always wins,
so keep on moving in,
keep on tuning in,
synchronize rhythm now.

Wer sich auch gerne mal über Melodien und musikalische Ästhetik hinwegsetzen kann, stoßt bei Scroobius Pip und vor allem auf diesem Album auf kleine textliche und poetische Meisterwerke. Ein kleines Kunstwerk, auf jeden Fall. Und Geld kann man dafür auch zahlen, wenn man's hat.

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