Donnerstag, 30. August 2012

Macklemore

7 Songs - 1 EP. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und doch sind alle der Feder eines Mannes entsprungen. Wobei eigentlich müsste man sagen: der Feder zweier Männer. Macklemore & Ryan Lewis. Seit Jahren unzertrennlich - seit Jahren ein Dreamteam. Der eine macht die immer perfekt passenden Beats. Der andere schreibt die besten Texte, die ich seit langem auf Englisch gehört habe. Sozialkritik, Storytelling, Vergangenheitsbewältigung. Er schreibt in einer solchen Einfachheit, dass es auch für Nicht-Muttersprachler gut zu verstehen ist. Auch der tiefere Sinn, obwohl er einen nicht anspringt. Zum Glück nicht anspringt.



Der erste Beat setzt ein. "Vipassana" - was das wohl ist? Kurz recherchiert: Ah! Eine indische Meditationsmethode. "Die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind", ja! Das passt zu ihm.
Worum geht's eigentlich? Glaube? Mhm, schwieriges Thema. Reizthema. Vertrauen in die Künste eines Mannes, es trotzdem angemessen zu meistern.
Doch es ist mehr als nur Glaube. In der ersten Strophe der Versuch den Sinn des Lebens über den Glauben zu erschließen. Sinn des Lebens? Gibt es überhaupt einen? Zu Beginn scheint es einfach zu sein. Denk nicht an gestern, kümmern dich nicht um morgen. Heute ist das was zählt. Typische "YOLO"-Umschreibung. Hab ich zu viel erwartet? Das kann nicht sein. Ich vertraue noch. Mein Vertrauen wird belohnt. Er läuft sich warm.
Wir sitzen in Gartenstühlen und diskutieren über Gott, darüber wie wir her gekommen sind und darüber was ist und was nicht ist. Schicksal gegen Glauben.
Es reicht, wenn ich die Lyrics übersetze. Das bedarf keiner Huldigung. Keines Lobgesanges. Das passt so. Das passt auch komischerweise zu dem Sample. Irgendein Lovesonggedudel aus den 70ern.
Warum?
Weil er mit Ryan Lewis einen unfassbar fähigen Mann an seiner Seite hat. Atmosphärisch ist das ein tolles Instrumental! Es drängt sich zu keinem Zeitpunkt in den Vordergrund. Und genau das braucht dieser Track um seine Magie, seine Wahrheit entfalten zu können. Der Text kann wirken.
Die erste Strophe schließt mit einer Weisheit, die man sich merken kann. Nein! Merken sollte. Ich kann das Leben nicht kontrollieren, aber ich kann kontrollieren wie ich auf es reagiere.
Zweite Strophe. Gleiches Thema, anderer Ansatz. Kein Glaube. Das hört sich mehr nach Schicksal an.
Ich wurde in die Welt gesetzt, um etwas Bestimmtes zu tun, bevor ich im Sarg liege.
Und scheinbar hat er seine Rolle auf der Weltbühne gefunden. Er weiß, was er zu tun hat. Endlich, nach 20 Jahren der Suche. Rap ist seine Leidenschaft, sein ein und alles. Der Sinn des Lebens. Nein, der Sinn seines Lebens. Seine Religion. Sein Gott. Und ja! Um Himmels willen ja! DAS hört man. Das fühlt man mit jedem Wort, jeder Silbe, mit jedem Taktschlag.
Eine würdige Verehrung des Schreibens. Ein würdiges Intro für diese kleine EP. The VS. EP. Gegensätze also. Hoffentlich nicht, das war so schön jetzt.
Und doch. Gegensätze ja! Großartig weiterhin!

Schon der Beat klingt aggressiver. Treibender. Vorwärts. Crew Cuts. Sagt mir nichts - wieder recherchieren! Achso. Der Haarschnitt. Ein Lied über Haare? Scheint mir irgendwie zu belanglos für einen solchen Künstler. Kommt mit dem zweiten Track die Enttäuschung? Ach Quatsch das kann nicht sein. Auch wenn das Thema nicht ganz so tiefgehend ist wie zuvor. Grundthematik - Oldschool. Oldschoolmusik, Oldschoolmode, Oldschooltechnik.
Und wieder. Obwohl der Beat aus dem letzten Jahrzent stammt - irgendeine belanglose amerikanische Rockband. Er passt. Keine Schnörkel, keine Aussetzer. Straight durch. Sitzt, wackelt und hat Luft.
Zu interpretieren gibt es nicht viel, weder textlich noch musikalisch. Frei heraus, ohne Verschleierung, ohne Umwege. Sowohl sein Featuregast Xperience als auch Macklemore höchstpersönlich liefern absolut solide Parts ab. Alles verpackt. Helden der Kindheit, Lieblingsschuhe, die beliebtesten Frisuren, Walkmans, Freunde, die coolste Mütze, Walkmans und an Rap.
Lass uns zurück zu den Tagen von AC/DC, ich will nen Vokuhila, einen 1984er Chevrolet.  Ok, ok - ich lüge. Ich hab nur Rap gehört.
Das ist pures Lebensgefühl auf 3 1/2 Minuten. Das ist Nostalgie verwandelt in Bits & Bytes. Einfach Kopfnickersound.


Stell dir vor dein Leben wär' ein Film, worum würd' es gehen, würdest du ihn seh'n woll'n, würdest du ihn dreh'n? Würd man ihn verstehen, wäre er erbaulich. und am wichtigsten von all dem hätte er 'nen guten Soundtrack?
Da scheinen sich zwei gefunden haben. Der gute Prezident aus Wuppertal und der überragende Macklemore aus Seattle. Ob die beiden wohl von einander wissen? Doch Life Is Cinema scheint einen ähnlichen Inhalt zu haben wie Es heißt, dass sie heiß ist - zumindest dem Vergleich Titel-erste Zeilen zufolge. Aber schon die ersten Zeilen des amerikanischen Tracks scheinen in eine ganz andere Richtung zu zielen. Es geht wieder um's Rappen.Was auch sonst? Diese Leidenschaft, Hingabe, ja sogar Verehrung des Schreibens ist so eindeutig und herausstechend, das man darüber nur stolpern kann. Aber ist es wirklich stolpern? Dieser Fluss aus Beat und Stimme, der einen packt und mitreißt, bis man in einem riesigen Wasserfall in der Realität wieder ankommt und diese packende Fahrt unbedingt wieder mitmachen will.

Die Booth ist ein Instrument, das Gott erschaffen hat, um uns aufzunehmen, auf dem Weg ihn zu finden.
Man merkt diesen Ernst, der hinter der Musik steht, in jeder seiner Zeilen, die sich bei näherer Betrachtung zu einem unfassbar stimmigen Ganzen ergeben. Ein Staccato von Wahrheiten, komprimiert auf ein paar Minuten, sodass man sich nach dem Genuss dieser Poesie als komplett neuer Mensch fühlt.
Diese Zuspitzung im Beat, die trotzdem so stimmig ist und mit der zunehmenden Dramatisierung im Text perfekt harmoniert, kann nur ein Ryan Lewis so hinkriegen. Das Dreamteam vom Anfang - hier taucht es wieder auf. Und es brilliert wieder. Ohne sich zu wiederholen ist es schwer die passenden Worte zu finden.
Wir hasten weiter zum Meisterwerk.
Sowohl seiner Position auf der EP als auch seiner Aussage nach das Herzstück.


Das doppelte Otherside. Gesamplet von den Red Hot Chili Peppers für die Verarbeitung persönlicher Drogenprobleme, könnte es passender sein? Seine persönliche andere Seite, seine persönliche Schattenseite aufdecken. Licht ins Dunkel bringen, mit Licht ist selbst das dunkelste Dunkel nicht mehr furchteinflößend.
Aber selbst das hellste Licht bringt nichts, wenn es nur ein kalter, lebloser Flutlichtstrahler ist. Doch mit diesem Kunststück von Vergangenheitsbewältigung lässt er die warme, lebendige Sonne aufgehen.
Fünf Minuten vertonter Sonnenaufgang, Fünf Minuten pure Liebe, Liebe für das Leben.
Kein erhobener Zeigefinger. Eine warnende Erzählung. Das bei Filmen so beliebte Label "Beruht auf einer wahren Begebenheit" wird hier zum Orden, zur höchsten Auszeichnung, zum stabilsten Fundament, um sich 5 Minuten Gehör zu verschaffen. Der Realismus seiner Erzählung fesselt. Und es ist so eindeutig die Geschichte, die er erlebte, die hier im Vordergrund steht.
Hier ist er es, der gefangen ist. Mitgerissen im Fluss der Geständnisse, der Fluss der Zeit, der ihn gepackt hat. Doch er rast nicht dahin, er fließt, er lässt sich Zeit. Er fließt rückwärts. Die Tiefpunkte ziehen an ihm vorbei. Nah genug um zu bewegen und doch so fern, dass er ohne zu Zögern darüber berichtet. Ein Kinofilm für Ohr und Hirn. Ist Leben doch ein einziges Kino, ein Film? Nein. Dafür geht das zu nah. Nein. Das ist uns doch selbst passiert oder nicht? Nein? Ich könnte es schwören, es ist glasklar vor mir. Das kann nicht ich sein. Ich lebe noch.

Seine Freundin kam ein paar Stunden später, sagte seinen Namen, schüttelte ihn, doch er wachte nie wieder auf.

Ja! Ich lebe noch. Ich lebe! LEBE! Mach dein Leben doch nicht mit Drogen kaputt. Mache mein Leben nicht mit Drogen kaputt. Dieses Lied, es ist eine Droge über Drogen. Wie geht das? Wie macht er das?
Es ist das Bewusstsein, dass er mit seinen Worten die Welt verändern kann. Meine Welt verändern kann, meine Welt verändert hat! Und wie. Nicht mit einem lauten Knall und doch so plötzlich und unverhofft. Bitte geh nie wieder.

Er wollte nur wie sie sein, er wollte nur wie sie rappen. Wir als Rapper unterschätzen die Macht und die Auswirkungen, die wir auf diese Kinder haben

Gesellschaftskritik liegt hier vor uns. Klar und glitzernd wie Quellwasser in unberührter Natur, es hält uns einen Spiegel vor, obwohl wir uns doch nur an seiner Schönheit ergötzen wollen. Nur eine Erfrischung suchen. Und doch sehen wir uns mit allen Macken. Das sind wir doch gar nicht, damit hab ich nichts zu tun. Sieh hin! Du und jeder andere. Sieh hin und ändere. Verändere die Welt. Jeden Tag ein Stück. Jeder Schritt, jede Tat. Die Welt ändert sich, sei nur nicht zu ungeduldig.


Gibt es eigentlich auch Musik, die dieser Ryan Lewis nicht als Sample verwenden kann? Arcade Fire's My Body Is A Cage wäre eins der letzten Lieder, dass ich mir als Hip Hop Beat hätte vorstellen können, aber gut. Der Meister hat gesprochen. Lasst uns hören, was er zu sagen hat. Ok, doch stark verändert. Aber es hört sich nach Battletrack an. So aggressiv. Der Titel Kings sagt eigentlich schon alles. Darf auch auf keinem Hip Hop Release fehlen. Zwei Featuregäste, die mir nichts sagen, die mir aber sehr sehr gut gefallen.
König mit Krone, ich sollte verehrt werden. Selbst wenn ich immer ignoriert wurde. Ich gehörte nie zur Norm, ich werde nicht ignoriert werden.
Und immer wieder diese religiösen Andeutungen. In allen drei Parts. Da ist zunächst der König mit Dornenkrone. Es folgt der Judas in teuren Hosen, der ihn verraten hat und es endet mit dem direkten Draht zu Gott, der über die Kopfhörer mit Ben spricht. Religiöse Überhöhung der eigenen Musik. Das macht aus einem Poeten einen vollendeten Rapper. Was ist das für eine überzeugende Vielfalt?

Zwei Sachen fehlen. Fehlen noch! Wo ist das notorische Liebeslied, das auf jeder Platte vor sich hindudelt? Und warum eigentlich immer Anti-Drogen? Ist doch auch langweilig.
Aber: Kommt Zeit, kommt Rat.

Lasst das Bier fließen. Guinness, was denn sonst? Ab nach Irland!
Eine Hommage an sein Heimatland verbunden mit einer Hook, die genausogut als Jahrhunderte alter Saufspruch dienen könnte.
Heb dein Glass Richtung Himmel und stoß an, lebe heute Nacht, denn du kannst sie nicht mitnehmen. Heb deinen Krug für alle, die nicht hier sind und lass uns heut Nacht leben, denn wir können sie nicht mitnehmen.
Wie gut ist das denn? Patriotismus lassen sich die Iren sowieso nicht nehmen. Ein paar Parolen gegen England, Whiskey, n bisschen was über die Flagge, Alkohol, tolle Fußballatmosphöre, Bars. Versteht man alles, wenn man mal in Irland war (im Gegensatz zu mir). Eine Hommage an seine Wurzeln, als Auslöser ein Gig in Dublin, von dem sowohl Ryan Lewis als auch Ben Haggerty noch Wochen später schwärmten.
Danke für mein neues Sauflied. Prost!

Am Ende angekommen. Ich schweige nun, lasse die Musik für mich sprechen



Hier kann man sich die EP runterladen, wenn man mag:

The VS. EP



2 Kommentare:

  1. I LOVE MACKLEMORE SOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO MUCH

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